Von Führungs- und Unternehmenskultur im Employer Branding

Inspiriert von einer interessanten Diskussion in der letzten Woche im Rahmen der "Recruiting 2015", bei welcher ich mit Birger Meier über "Candidate Experience Management – Top-Thema oder nur ein weiterer Hype?" referiert habe, möchte ich mich heute über das schöne Themenfeld "Unternehmenskultur, Unternehmenswerte, Führungskultur" im Kontext vom Employer Branding auslassen.

Anlass der Diskussion war der interessante Vortrag von Wolgang Brickwedde "Coole Tools für die Berufsorientierung von Professionals" bei welchem er unter anderem das Online-Portal CompanyMatch erwähnt hat.



CompanyMatch ist eine Matching-Plattform, bei der Bewerber angeben können, welche Form von "Unternehmenskultur" sie bevorzugen (durch einen Fragebogen) und danach mit Unternehmen gematcht werden, welche ebenfalls angeben mussten, wie deren Unternehmenskultur ist. So weit, so gut. Die eigentliche Diskussion ging dann schon nicht mehr um CompanyMatch, sondern um die Frage, ob es dieses Konstrukt "Unternehmenskultur" überhaupt gibt.

Meiner Meinung nach ist der Begriff "die Unternehmenskultur" oder "Unternehmenswerte" in der Regel nicht greifbar und belastbar. Jedes Unternehmen besteht aus einer Vielzahl von verschiedenen Subkulturen, Führungsstilen, Werten etc.

Hier eine beispielhafte Verdeutlichung:

Anhand dieser Darstellung, welche ich aus dem "Praxishandbuch Mitarbeiterführung" von Haufe adaptiert habe, gibt es grundsätzlich vier verschiedene Führungsrichtungen (Hier Führungsportfolio), definiert als:
Führungsportfolio, gem. Praxishandbuch Mitarbeiterführung, 3. Auflage, Lorenz Rohrschneider

Jeder wird sicherlich aus der eigenen Erfahrung ein Beispiel eines Führungsstils für jede Ausprägung kennen - manche davon sind wahrscheinlich diametral, obwohl sie im selben Unternehmen existieren. In der Regel sind in jedem Unternehmen alle 4 der oben genannten Ausprägungen zu finden. Da die Führungsrichtung oder auch Führungskultur jeder Führungskraft Bestandteil dessen ist, was man "Unternehmenskultur" nennt, kann es folglich keine einheitliche Unternehmenskultur geben, sondern maximal eine so schwammige Formulierung, die trotzdem allen Führungskulturen entspricht (oder zumindest nicht widerspricht). So oder so - es bleiben zu viele Fragen offen. Sind Unternehmenskultur und -werte ein Gut, welches durch die oberste Führungsebene festgelegt wird und damit eher einen Soll-Charakter hat? Oder sind sie eher die Summe des täglichen Handelns aller Mitarbeiter - also die Ist-Situation?

Gleichzeitig steht man im Personalmarketing aber vor der Herausforderung, dass man an nahezu jeder Ecke etwas über seine Unternehmenskultur und seine Unternehmenswerte schreiben soll. Ich merke, dass dieser Artikel ausnahmsweise mehr Fragen aufwirft, als Antworten gibt. Ich finde es nur sehr schwer, ernsthaft die Kultur eines Unternehmens zu beschreiben, ohne schnell in eine absolute Oberflächlichkeit abzudriften. Ich arbeite bei Elégance, in einem mittelständischen Unternehmen in der Modebranche. Wir sind nicht besonders groß (<200 Mitarbeiter) und trotzdem könnte ich es nicht schaffen eine Definition unserer Unternehmenskultur zu erstellen, die allen Bereichen gerecht werden würde. Ich könnte eine gewisse Bereichs- oder Abteilungskultur definieren - und vielleicht ist genau das der springende Punkt - und den müssen wir uns eingestehen. Wir haben Sub-Kulturen und daran ist auch gar nichts schlimm oder verkehrt.

Vielleicht wäre genau das ein echter Mehrwert, den aufstrebende Unternehmen wie CompanyMatch liefern könnten?

www.companymatch.me

Kommentare

  1. Moin Tim,

    bin da voll bei Dir. Ich denke auch, dass so etwas wie "Unternehmenskultur" nur ein Konstrukt sein kann. Die Kunst besteht dann m.E. darin, mit diesem Konstrukt operationalisierbar zu werden. Dann natürlich könnte man als Unternehmen - etwa nach einer Mitarbeiterbefragung - versuchen, "Fürhungsprobleme" aufzulösen oder eine dialogbasierte Kultur des Wissensautauschs etablieren. Versuchen, wohlgemerkt ;)

    Aber genau wie Du schreibst ist jeder Akteur eines Systems immer auch Mitglied anderer Systeme, d.h. eine Unternehmenskultur besteht immer aus verschiedenen Kulturen. Trotzdem finde ich es reizvoll darüber nachzudenken, wie genau eigentlich der "Kulturations" Prozess in Unternehmen abläuft. D.h. was, wie, wann, wo, durch wen etc. "lernt" ein neuer Mitarbeiter die impliziten Regeln, Wissensbestände, Handlungsformen etc. eines Unternehmens. Damit ist zwar noch nicht beantwortet, welche das dann genau sind, aber hey - das meiste ist eh implizit und per definitionem damit schlicht nicht explizierbar ;)

    Grüße aus HH
    Jürgen

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    1. Moin Jürgen,

      da hast du absolut recht. Das ganze hat auch noch einen mikro-soziologischen Aspekt, da die Entwicklung von "Kultur" auch etwas mit Rollen und Rollen-Interpretation zu tun hat. Das gilt für jede Form der Organisation und nicht nur für Unternehmen.

      Jetzt denke ich, dass sich die Vorlesung "Mikrosoziologie" endlich mal bezahlt gemacht hat ;-)

      VG

      Tim

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  2. Hi Tim, wir bauen gerade an einem Kultur-Matcher und in der Tat ist das zu bohrende Brett ein dickes... Gleichzeitig ist sich doch jedes Unternehmen irgendwie sicher, in irgendeiner Art und Weise 'besonders', also distinkt zu sein. Sonst wäre ja auch jede Bemühung des Employer Brandings überflüssig. Aber zu definieren, worin diese Besonderheit eigentlich besteht, ist nicht trivial. Was sind die maßgeblichen Werte, deren Operationalisierungen und Ausprägungen? Und ja, wenn es Subkulturen gibt, wie fügen diese sich zu einem Gesamtsystem zusammen. Ich kann jeden nur empfehlen, das mal im Selbstversuch zu machen. Wir haben das kürzlich mal gemacht, hochspannende Erfahrung! http://blog.recrutainment.de/2014/09/26/unternehmenswerte-in-sechs-sekunden-ein-selbstversuch/

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    1. Moin Jo,

      Danke für Deinen Hinweis. Der Artikel ist mir doch tatsächlich entgangen ;)
      Jedenfalls schöner Selbstversuch und in der Tat eine sinnvolle Fingerübung. Denn Du hast Recht, "Egal wie: Die Kultur des Unternehmens muss irgendwie auf´s Tableau…".
      Letztlich muss man sich aber trotzdem klar machen, dass es "Übersetzungen" sind und es auch (viel) Übung darin bedarf, wie man eben die eigenen Vorstellungen über Werte und Kultur kommunizierbar gestaltet, so dass diese zur "Geltung" kommen.

      Die Boutique und das Kaleidoskop gefallen mir aber schon mal sehr .D

      Best
      Jürgen

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    2. Hi Jo,
      ein sehr schöner Selbstversuch.
      Dazu aber eine Verständnis-Frage: Habt ihr "Werte" und "Kultur" gleichgesetzt?
      Ich sehe Werte immer als etwas Normatives an, während ich Kultur nicht so definieren würde. Für mich sind Werte ein "Soll" während Kultur das "Ist" zeigt.
      Vielleicht liege ich damit falsch ;-)
      Auf jeden Fall muss ich mir - wenn wir uns das nächste mal sehen - die Tabulose Kuchenkultur erklären lassen ;-)
      VG
      Tim

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