Absolventenkongress - alter Wein in neuen Schläuchen oder AbsKo2.0?


Es gibt kaum eine Recruiting-Messe, die so populär und erfolgreich war/ist, wie der Absolventenkongress. Meist geht große Popularität einher mit Polarisierung. Befürworter sind gut und gerne bereit in den Auftritt beim Absolventenkongress mehr Budget zu investieren, als andere Arbeitgeber im kompletten Kalenderjahr für Recruitingaktivitäten auszugeben.
Gegner sprechen von Geldverbrennung, schlechtem Service und einem unangemessenen Wettrüsten zwischen Arbeitgebern. Bereits vor zwei Jahren habe ich einen durchaus konstruktiv kritischen Beitrag über den Absolventenkongress 2015 geschrieben, welcher viele Reaktionen hervorgerufen hat. Seitddem hat sich jedoch einiges geändert - unter anderem wurde der frühere Organisator, das Staufenbiel Institut von squeaker.net gekauft. Wer den diesjährigen Online-Auftritt vom Absolventenkongress anschaut, wird das Gefühlt haben, dass sich das Event verjüngt und modernisiert. Heute habe ich das Vergnügen mit dem dafür verantwortlichen Geschäftsführer Frank Dreher über diese Veränderungen zu sprechen.

Tim Verhoeven: Lieber Herr Dreher, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben für dieses Interview. Wie geht es Ihnen knapp 1,5 Jahre nach der Übernahme vom Staufenbiel Institut durch Squeaker?

Mein Interviewpartner Frank Dreher
Frank Dreher: Sehr gut! Natürlich können wir uns nicht über zu wenig Arbeit beschweren: Wir haben zwei Teams mit unterschiedlichen Kulturen zusammengeführt, erfolgreich den Umzug in ein gemeinsames Office gestemmt und jetzt wachsen wir immer stärker zusammen. Und so gern wir es würden: Wir können nicht alle Themen gleichzeitig anfassen – da steht noch einiges auf unserem Zettel.


Tim Verhoeven: Eine offene Feedback-Kultur ist leider nicht immer zu finden - insbesondere, wenn es um kritisches Feedback geht. Wie holen Sie sich Feedback ein?

Frank Dreher: Nach dem Absolventenkongress 2016 haben wir einen Workshop mit unseren größten Kunden organisiert und dabei offen analysiert: Was müssen wir ändern, wo gab es in der Vergangenheit Probleme? Aber auch: Was lief gut? Denn der Absolventenkongress ist nach wie vor eine der größten und wichtigsten Jobmessen Deutschlands. Wir hatten einige neue Ideen, haben aber auch bewusst viel zugehört, um vom Feedback unserer Kunden zu lernen.

Tim Verhoeven: Der Absolventenkongress wirkte 2015 aus der Retrospektive ein wenig wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Sind solche Groß-Events in der heutigen Zeit nicht antiquiert?

Frank Dreher: Es gibt sicher einen Wandel, der Trend geht zu kleinen Events mit hoher Relevanz der Kontakte – und genau die organisieren wir mit squeaker.net sehr erfolgreich. Aber viele große Marken haben weiterhin das Bedürfnis, sich zu inszenieren: Sie wünschen sich eine große Bühne, kein Konzept mit Käfigständen. Hier schließt der Absolventenkongress eine Lücke und ist für Branding-Zwecke nach wie vor die zentrale Plattform in Deutschland. Die Wünsche unserer sehr stark recruitingorientierten Kunden erfüllen wir über terminierte Gespräche, das Talentboard etc.

Tim Verhoeven: Robotics-Cup 2017, "Interview in the dark", Virtual Reality, Smoothies, CandyBar,
Street Food, Start-Up- Zone... Klingt alles deutlich jünger und moderner. Wird jetzt versucht mit Hochdruck die versäumten Veränderungen der letzten Jahre nachzuholen?

Frank Dreher: 2004 war ich selbst als Absolvent auf der Messe. Um ehrlich zu sein, hatte sich seitdem nicht besonders viel verändert. Deshalb war uns allen klar, dass jetzt etwas passieren muss. Aber der Absolventenkongress ist noch immer kein Rock’n’Roll, wir rufen auch nicht die große Revolution aus. Es ist einfach die Evolution des Konzepts – und die ist mit den Veränderungen in diesem Jahr noch lange nicht abgeschlossen.

Tim Verhoeven: Gibt es Themen, die es beim Absolventenkongress 2017 noch nicht ins Programm geschafft haben, aber für 2018 geplant sind?

Frank Dreher:  Es wird in jedem Fall ein neues Fertigstand-Konzept geben, erste Beispiele dafür zeigen wir schon jetzt. In diesem Jahr war eine komplette Umstellung wegen vertraglicher Bindungen noch nicht möglich. Ich kann versprechen: Wir haben noch viele Ideen und können uns das Event auch in völlig neuer Form vorstellen – der Absolventenkongress 2017 ist für uns ein wichtiger Zwischenschritt. 


Tim Verhoeven: Wie stehen Sie zum Thema "Wettrüsten der Arbeitgeber" mit immer größeren Ständen?

Frank Dreher: Ich glaube, dass diese Tendenz nicht mehr so ausgeprägt ist wie noch vor einigen Jahren. Aus unserer Sicht bietet das Event Raum für verschiedene Bedürfnisse. Natürlich gibt es Fertigstände – genau wie beeindruckende Stände von großen Marken. Und ganz ehrlich: Das Format profitiert von solchen Auftritten. Stellen Sie sich eine Halle voll kleiner Fertigstände vor, die alle gleich aussehen: Das verstehen wir nicht unter einem Hallenerlebnis, das Besucher begeistert.

Tim Verhoeven: Das Konzept und die Website wirken sehr frisch und modern: Auf welche Neuerung des Absolventenkongresses in diesem Jahr sind sie besonders stolz?

Frank Dreher: Das möchte ich gar nicht im Vorfeld werten – hier sollen die Besucher entscheiden.
Natürlich ist das Thema Start-up uns immer nah gewesen. Wir sind sehr gespannt, wie die Blackbox ankommt, für die wir die Bühne bieten dürfen. Entscheidend wird die strukturierte Auswertung im Nachgang der Veranstaltung sein.

Tim Verhoeven: Ich habe in meinem Artikel vor 2 Jahren mehrere Empfehlungen ausgesprochen, die ich den Organisatoren des Absolventenkongresses geraten habe. Welche davon wurden angegangen?

Frank Dreher:
Überdenkt das neue Klein-Stand- Konzept 
Wie angekündigt: Ab 2018 bieten wir ein komplett neues Konzept an – in diesem Jahr stellte sich die Frage für uns aus den genannten Gründen nicht.
Überlegt, wie man gegen das "Wettrüsten" vorgehen kann 
Aus unserer Sicht ist dieses „Problem“ wenn überhaupt nur noch in einzelnen Branchen vorhanden.

Setzt euch in einem Round-Table, mit euren Ausstellern zusammen und hört auf deren Feedback 
Das haben wir sogar in breiterer Form getan, um das Feedback nicht durch Einzelmeinungen zu verfälschen. Und das werden wir auch weiterhin tun.

Mehr Möglichkeiten, um mit Bewerbern in diskreter Atmosphäre zu sprechen
Es wird bis zu 1000 terminierte Gespräche geben, dazu Speed Dates und exklusive Interviewräume im benachbarten Kongresszentrum.

Bessere Performance der neuen - möglicherweise sehr sinnvollen Tools. 
Unser Talentboard hat sich zur Ansprache unserer Talente etabliert. Auf eine App für die Besucher setzen wir nicht mehr, wir haben wichtige Funktionalitäten in die Website absolventenkongress.de integriert. Auf dem Event ist aus unserer Sicht keine App für Besucher nötig – hier zählt bei aller berechtigten Digitalisierung nur eins: der persönliche Kontakt.

Tim Verhoeven: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für die durchaus kritischen Fragen genommen haben. Meine Zusammenfassung: Es scheint sich einiges getan haben beim Absolventenkongress - auch Abseits des moderneren Webauftritts.

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